Auf einer Wanderung sahen wir von ferne einen Kirchturm. Auf ihn steuern wir zu. Ein mächtiges Bauwerk liegt vor uns und zeugt vom Glauben der Vergangenheit. Aber leider ist die Kirche verschlossen. Wir können sie nur von außen betrachten. Die vielen Fenster müssen Farbig sein. Aber nach außen schauen sie nur dunkel aus. Sie verraten nichts von ihrer Schönheit und Farbenpracht. Wollten wir etwas über diese Kirche aussagen, müßten wir in sie hineinkommen.
Von außen können wir auch die Kirche Jesu nicht beurteilen. Wer nicht in die Kirche geht und nicht mit der Kirche lebt, dem bleibt sie verschlossen. Aber viele beurteilen und verurteilen die Kirche von ihrer äußeren Erscheinung her. Sie werden dem Wesen der Kirche nicht gerecht. Wer wollte einen Menschen gerecht beurteilen, mit dem er kaum Kontakt hat? Erst wer in das Herz des Menschen schauen darf, wird eine innere Beziehung zu ihm gewinnen und ihn verstehen. Dann öffnet sich ihm das wesen des Menschen.
Ein lateinisches Wort fordert auf zum „sentire cum ecclesia“. Man muß „mit der Kirche fühlen“. Nur so geht uns das innere Wesen der Kirche auf. Wer über die „Amtskirche“ loszieht, sieht die Kirche nu5r als Institution, die einem Verein ähnlich ist. Das heißt beileibe nicht, daß berechtigte Kritik an der Kirche verboten wäre. Wo aber die Liebe zu5r Kirche fehlt und auch die rechte Demut dem Menschen mangelt, kann er die Kirche, die vom Heiligen Geist beseelt ist und von sündigen Menschen geleitet wird, nicht gerecht beurteilen.
Wenn wir unter dem Versagen der Kirche in der Vergangenheit und in der Gegenwart leiden, müssen wir uns selbst an unsere Brust klopfen. Denn jeder getaufte Christ ist ein Glied dieser Kirche und trägt zu ihrer positiven oder negativen Erscheinung bei. Unsere Kirche ist die Kirche Jesu Christi, die Kirche des heiligen Petrus und Johannes, des heiligen Franz von Assisi und der Mutter Teresa, all der heiligen Päpste, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubigen und auch all derer, die versagt haben und versagen werden.
Quelle: Ja zur Kirche – Hermann Blüml – Eine Streitschrift wider die modischen Vorwürfe gegen die katholische Kirche – Hrsg.: Bischöfliches Ordinariat Regensburg – Verlag Schnell & Steiner GmbH, Regensburg . 1994 – Seiten: 18 – 19.