Wer wagt es, im Namen Christi zu sprechen?
Wir wissen wie sehr Pater Pio seine Berufung zum Priester und das Zelebrieren der heiligen Messe zutiefst ernst nahm und im Zentrum seines Lebens stand. Der folgende Artikel erklärt noch einmal was es bedeutet Priester zu sein und die heilige Messe zu zelebrieren und was es für die Laien bedeutet.
Haben Sie sich jemals gefragt, was wirklich geschieht, wenn der Priester sagt: „Das ist mein Leib“? Wer ist dieser „mein“? Ist er nicht ein Mensch wie Sie und ich? Und doch erklärt die Kirche mit feierlichem Nachdruck, dass in diesem Moment nicht er spricht, sondern Christus selbst. Das ist das Geheimnis von In Persona Christi Capitis, eine tiefe theologische Wahrheit, die eine der wichtigsten – und zugleich am meisten übersehenen unseres Glaubens offenbart: Der Priester handelt bei sakramentalen Handlungen in der Person Christi, des Hauptes.
In Zeiten des Glaubensverlusts, von Missbräuchen und moralischem sowie geistlichem Relativismus, müssen wir dieses Geheimnis erneut entdecken, verstehen, warum es für unser christliches Leben unverzichtbar ist und wie es sowohl Priester als auch Laien betrifft. Denn wenn der Priester im Namen Christi des Hauptes handelt, dann ist der Altar der Kalvarienberg, die Messe das Kreuzesopfer, und der Beichtstuhl das Gericht der göttlichen Barmherzigkeit.
Was bedeutet In Persona Christi Capitis?
Der vollständige lateinische Ausdruck „In Persona Christi Capitis“ bedeutet wörtlich „in der Person Christi, des Hauptes“. Dies ist eine ontologische und sakramentale Aussage: Durch das Sakrament der Weihe wird der Priester so sehr mit Christus verbunden, dass er in dessen Namen und mit dessen Autorität handelt – vor allem bei der Feier der Sakramente.
Der Katechismus der Katholischen Kirche erklärt das unmissverständlich:
„Christus selbst ist im kirchlichen Dienst des geweihten Priesters in seiner Kirche zugegen als seines Leibes, Hirt seiner Herde, Hoherpriester des Erlösungsopfers und Lehrer der Wahrheit. Die Kirche bringt dies zum Ausdruck, indem sie sagt, daß der Priester kraft des Weihesakramentes „in der Person Christi des Hauptes“ [in persona Christi capitis [Vgl. Offb 5,9-10; 1 Petr 2,59] handelt.“ (KKK, Nr. 1548)
Diese Handlung ist nicht delegiert, wie die eines Botschafters für einen König. Sie geht tiefer: Es ist Christus selbst, der durch den Priester handelt und sein Erlösungswerk gegenwärtig macht.
Christus selbst hat dieses Geheimnis beim Letzten Abendmahl eingesetzt. Er nahm das Brot und den Wein und sagte:
„Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (Lk 22,19).
Mit diesen Worten gab Er den Aposteln die Vollmacht, seine erlösende Tat sakramental zu wiederholen, nicht nur als Erinnerung, sondern als wahre Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers.
Der heilige Paulus fügt in seinem ersten Brief an die Korinther eine tiefere Dimension hinzu:
„Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes.“ (1 Kor 4,1).
Das griechische Wort oikonomoi – Verwalter – bedeutet, dass die Apostel und ihre Nachfolger nicht Besitzer, sondern lebendige Werkzeuge von Christi Wirken in der Kirche sind.
Schon in den ersten Jahrhunderten erkannte die Kirche, dass der Priester nicht einfach ein Gemeindeleiter ist. Der heilige Ignatius von Antiochien schrieb bereits im 1. Jahrhundert:
Wo der Bischof ist, da ist die Gemeinde – wie da, wo Christus Jesus ist, die katholische Kirche ist.
Die Kirchenväter, insbesondere der heilige Johannes Chrysostomus und der heilige Ambrosius, betonten, dass der Priester nicht aus sich selbst handelt, sondern durch Christus. Im Mittelalter formulierte der heilige Thomas von Aquin diese Lehre präzise in seiner Summa Theologiae:
Der Priester handelt bei der Wandlung der Eucharistie in der Person Christi, weil er nicht sagt: ‚Dies ist der Leib Christi‘, sondern ‚Das ist mein Leib‘ (S. Th., III, q. 82, a. 1).
Beim Konzil von Trient wurde diese Lehre gegen die protestantischen Irrtümer, welche das sakramentale Priestertum und das Opfer der Messe leugneten, bekräftigt. Und beim Zweiten Vatikanischen Konzil wurde sie erneut bestätigt:
Die Priester, aus der Reihe der Menschen genommen, werden durch das Sakrament der Weihe für den Dienst des Evangeliums geweiht, um die Gläubigen zu weiden und den göttlichen Kult zu feiern. Sie handeln in der Person Christi, des Hauptes (Presbyterorum Ordinis, 2).
Die Formel „Christus Caput Ecclesiae“ – Christus, das Haupt der Kirche – hat eine tiefe theologische Bedeutung. Der heilige Paulus sagt:
Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche (Kol 1,18). Das bedeutet: Christus ist nicht vom Leib getrennt, sondern Er durchdringt ihn mit Leben, führt ihn und lenkt ihn. Wenn der Priester In Persona Christi Capitis handelt, repräsentiert er Christus in seiner Funktion als Haupt, Hirte und Bräutigam der Kirche.
Er repräsentiert Christus den verherrlichten, lebendigen Christus, den ewigen Hohepriester nach der Ordnung Melchisedeks (vgl. Hebr7,17). Darum ist die Messe keine symbolische Darstellung, sondern die sakramentale Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers. Der Altar ist der Kalvarienberg. Der Priester ist in diesem Moment Christus selbst, der seinen Leib und sein Blut dem Vater für unser Heil darbringt.
Zu verstehen, dass der Priester in Persona Christi Capitis handelt, sollte unsere Art, die Messe zu feiern, die Sakramente zu empfangen und unsere Hirten zu betrachten, grundlegend verändern. Es geht nicht darum, den Priester zu vergötzen, sondern das Geheimnis Christi zu erkennen, das durch ihn wirkt – selbst wenn er schwach und sündig ist. Es ist nicht der Priester, der vergibt, es ist Christus, der durch ihn vergibt. Es ist nicht der Priester, der konsekriert, es ist Christus, der durch seine Lippen konsekriert.
Wenn wir beichten, ist es Christus, der uns hört. Wenn wir losgesprochen werden, ist es Sein Blut, das uns reinigt. Wenn wir die Kommunion empfangen, ist Er es, der uns nährt – nicht, weil der Priester Zauberkräfte hätte, sondern weil er durch das Weihesakrament Christus gleichgestaltet wurde, um Ihn gegenwärtig zu machen.
Diese Wahrheit muss für die Priester eine Quelle des heiligen Schauderns und des Trostes sein.
Schaudern, weil sie das Gewicht des Leibes Christi tragen. Trost, weil sie nicht allein sind: Christus wirkt durch sie. Sie sind keine bloßen Verwalter, sondern lebendige Werkzeuge der Erlösung.
Deshalb darf ein Priester die Liturgie nicht banalisieren, nicht am Altar improvisieren, nicht den Dienst trivialisieren. Alter Christus zu sein – ein anderer Christus – ist Ehre und Bürde zugleich. Deshalb ruft die Kirche ihre Priester ständig zur Heiligkeit.
Heutzutage wird alles relativiert: das Priestertum, die Messe, die Sakramente. Doch Christus ändert sich nicht. Die Kirche braucht Männer, die bereit sind,sich selbst zu sterben, um Christus für die anderen zu sein.
Das tiefe Verständnis von in Persona Christi Capitis führt uns auch zur Wiederentdeckung der Heiligkeit des Priestertums, zur Zentralität der Eucharistie und zur Notwendigkeit eines tiefen geistlichen Lebens – sowohl bei Klerikern als auch bei Laien.
Was sollen wir mit diesem Schatz tun?
Wenn Sie ein Laie sind, schätzen und beten Sie für Ihre Priester. Erwarten Sie keine Perfektion, aber verlangen Sie Heiligkeit. Gehen Sie mit den Augen des Glaubens zur Messe: Dort wird der Kalvarienberg erneuert, dort gibt Christus sich Ihnen hin. Sind Sie jung und verspüren Sie die Berufung zum Priestertum, fürchten Sie sich nicht: Christus nimmt Ihnen nichts – Er gibt Ihnen alles.
Sind Sie Priester, vergessen Sie nie, dass Sie Träger eines Feuers sind, das Ihnen nicht gehört. In jeder liturgischen Handlung, in jedem Wort, in jedem Sakrament sind Sie dazu berufen, den einen ewigen Hohenpriester sichtbar zu machen.
Das Geheimnis von In Persona Christi Capitis ist ein Tor zum Übernatürlichen. Es erinnert uns daran, dass Christus in der Kirche lebendig, wirksam und nahe ist. In jeder Messe blickt Er uns vom Altar aus an. In jeder Beichte umarmt Er uns mit Seiner Barmherzigkeit.
In jedem treuen Priester führt Er uns mit Seinem Licht und Seiner Liebe.
„Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20).
Möge diese Wahrheit uns verwandeln. Möge sie uns mit mehr Glauben knien und beten, mit mehr Liebe die heilige Kommunion empfangen und mit mehr Hoffnung leben lassen. Denn Christus hat uns nicht als Waisen zurückgelassen. Er hat uns seine Priester gegeben, um weiterhin unser Guter Hirte mitten in der Welt zu sein.