Der Mariologe Mark Miravalle, Professor für Theologie an der Franciscan University of Steubenville, hat die ersten 100 Tage des Pontifikats von Papst Leo XIV genau beobachtet und sieht darin deutliche Hinweise auf eine tiefe Marienverehrung. Diese erinnert stark an die Hingabe seines Namensvetters, Papst Leo XIII., was Hoffnung weckt, dass Leo XIV möglicherweise das seit Langem gewünschte fünfte marianische Dogma verkünden könnte. Dieses Dogma würde Maria als Mit-Erlöserin (Co-Redemptrix), Mittlerin aller Gnaden (Mediatrix) und Fürsprecherin der Menschheit definieren – eine Bitte, die seit über einem Jahrhundert von Bischöfen, Kardinälen, Priestern und Millionen Gläubigen erhoben wird.
Miravalle betont, dass die Namenswahl „Leo“ für den neuen Papst ein bewusstes historisches Signal sei, das sowohl Tradition respektiert als auch die Herausforderungen seines Pontifikats aufzeigt – ähnlich wie Leo XIII., der sich in seiner Zeit gegen soziale Ungerechtigkeit stellte, wird Leo XIV sich aktuellen Problemen wie der künstlichen Intelligenz widmen. Schon zu Beginn seines Pontifikats machte Leo XIV deutlich, dass Maria eine zentrale Rolle spielen wird: Er rief die Gläubigen zum Gebet mit ihr auf und bezeichnete sie als unsere Mutter. Seine Wahl fiel zudem auf einen Marienfesttag, und er griff in Ansprachen und Handlungen auf berühmte marianische Persönlichkeiten und Orte zurück, wie etwa den seligen Bartolo Longo oder die Marienheiligtümer in Rom und Genazzano.
Besonders hervorzuheben ist seine Ansprache an das Kardinalskollegium, in der er Demut, Opferbereitschaft und die Notwendigkeit, sich selbst zurückzunehmen, betonte – und zugleich Maria als Mittel seiner geistigen Stärke erwähnte. Auch seine Ausflüge zu Marienheiligtümern und seine spontane Reaktion auf die Jubelrufe der Gläubigen mit „Viva Maria!“ zeigen, dass seine Marienverehrung aus tiefstem Herzen kommt.
Darüber hinaus spiegelt sich die Marienverehrung auch in seinem Wappen wider: Die obere Hälfte ist eindeutig Marianisch gestaltet, während die untere Hälfte auf seine Augustiner-Tradition verweist. Weitere deutliche Bezüge zu Maria fanden sich in seinen Ansprachen, etwa am vierten Tag nach seiner Wahl, als er den Frieden als „Wunder der Königin des Friedens“ beschrieb, oder in seiner Juni-Homilie, die Maria als Mit-Erlöserin am Kreuz darstellt – ein klassisches Merkmal der Co-Redemptrix-Lehre.
Miravalle hebt hervor, dass die Anerkennung Mariens als endgültige Fürsprecherin entscheidend für die Verkündigung des fünften Dogmas ist: Nur wenn der Papst ihre Fürsprache offiziell anerkennt, kann Maria diese kraftvoll entfalten. Leo XIV zeige sich laut Miravalle jedoch als besonders empfänglich für diese Rolle, nicht zuletzt angesichts globaler Bedrohungen wie Kriegen und der KI. In seiner Botschaft an 50.000 junge Menschen in Rom betonte er, dass kein Algorithmus die menschliche Begegnung ersetzen könne und verwies auf Maria als Vorbild, das die menschliche Authentizität wiederherstelle.
Die Verkündigung eines neuen Dogmas erfordere aber auch die Mitwirkung der Gläubigen durch Gebet und Petitionen – ähnlich wie bei den Dogmen von der Unbefleckten Empfängnis und der Himmelfahrt Mariens. Miravalle sieht bei Leo XIV großes Potenzial, diese Anliegen umzusetzen, da er ein „zuhörender Papst“ sei, der die Bedürfnisse der Gläubigen ernst nehme.
Abschließend betont Miravalle einen spürbaren Aufschwung in der Marienverehrung, besonders bei jungen Menschen. Nach einer Phase des Nachlasses der Marienverehrung in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil habe sich in den letzten 10 bis 15 Jahren ein deutliches Wiedererwachen gezeigt, das sowohl theologisch als auch populär unterstützt wird.
Quelle: Edward Pentin Interview mit Mark Miravalle, 7. August 2025