von Plinio Corrêa de Oliveira
Wenn es eine Epoche gibt, deren einzige Hoffnung im Heiligsten Herzen Jesu liegt, dann ist es unsere.
Die heute von der Menschheit begangenen Übel sind kaum zu übertreiben: Gotteslästerung, Zerstörung der Familie durch Abtreibung, Scheidung, Euthanasie, weitverbreitete Pornographie, unmoralische Kleidung und Lebensstile, Homosexualität und vieles mehr.
Papst Pius XI. sagte einst, dass die heutige Welt moralisch so verkommen sei, dass sie jederzeit in ein noch tieferes geistiges Elend stürzen könne als dasjenige zur Zeit der Geburt unseres Göttlichen Erlösers.
Das Heiligste Herz Jesu – Hoffnung einer hoffnungslosen Welt
Angesichts so vieler Verbrechen kommt einem unweigerlich der Gedanke an die göttliche Gerechtigkeit. Wenn wir diese sündhafte Welt betrachten – seufzend unter der Last zahlloser Krisen und Leiden, doch unbußfertig –, wenn wir den erschreckenden Fortschritt des Neuheidentums sehen, das im Begriff ist, die Menschheit zu erobern, und auf der anderen Seite die Unentschlossenheit, Kurzsichtigkeit und Uneinigkeit unter den sogenannten Getreuen erkennen, dann ist es verständlich, dass wir von den düsteren Aussichten kommender Katastrophen erschüttert sind.
Es ist eine liberale oder lutherische Illusion, zu glauben, dass all diese Verbrechen keine Strafe verdienen, dass diese weltweite Apostasie bloß aus einem intellektuellen Irrtum ohne moralische Schuld resultiere.
Die Realität ist eine andere: Gott verlässt seine Geschöpfe nicht. Vielmehr unterstützt Er sie ununterbrochen mit ausreichender Gnade, um ihnen zu helfen, den richtigen Weg zu wählen. Wenn sie dennoch einen anderen Weg gehen, liegt die Verantwortung bei ihnen.
So haben wir das düstere Bild unserer Zeit: auf der einen Seite eine sündige, ungerechte Zivilisation, auf der anderen der Schöpfer mit der Geißel der Gerechtigkeit in der Hand.
Bleibt der Menschheit nur noch Feuer und Schwefel? Können wir beim Eintritt in das neue Jahrtausend auf etwas anderes hoffen als die Züchtigung, die die Heilige Schrift für das hartnäckige Unbußfertige der letzten Tage voraussagt?
Wenn Gott allein nach seiner Gerechtigkeit handeln würde, wäre unser Schicksal klar. Wir könnten uns sogar fragen, wie wir es überhaupt bis ins 20. Jahrhundert geschafft haben.
Doch Gott ist nicht nur gerecht, sondern auch barmherzig. Die Tore des Heils sind noch nicht verschlossen. Ein Volk, das in seiner Gottlosigkeit verharrt, hat allen Grund, die Strenge Gottes zu fürchten. Doch Er, der unendlich barmherzig ist, will nicht den Tod dieser sündigen Generation, sondern dass sie „sich bekehrt und lebt“ (Ez 18,23). Seine Gnade verfolgt uns, ruft uns zur Umkehr und lädt uns ein, zum guten Hirten zurückzukehren.
Eine unbußfertige Menschheit hat allen Grund, jedes Strafgericht zu fürchten. Aber eine bußfertige Menschheit hat allen Grund, jede Barmherzigkeit zu erwarten. Und tatsächlich: Damit Gottes Barmherzigkeit dem reuigen Sünder zuteilwird, braucht seine Reue nicht vollkommen zu sein. Schon der erste ehrliche Schritt zurück zu Gott genügt – und die Hilfe wird nicht ausbleiben. Denn Gott weist den nicht zurück, der mit aufrichtigem Herzen zu Ihm zurückkehrt.
Der Heilige Geist spricht in der Heiligen Schrift:
„Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen…? Und selbst wenn sie es vergäße – ich vergesse dich nicht!“ (Jes 49,15)
Das heißt: selbst wenn alle menschliche Hoffnung versagt, bleibt Gott treu. Seine Barmherzigkeit wirkt selbst dann, wenn Seine Gerechtigkeit den Sünder auf dem Weg der Sünde niederschlägt.
Der moderne Mensch darf nie die beiden Grundwahrheiten vergessen: Göttliche Gerechtigkeit und göttliche Barmherzigkeit.
Gerechtigkeit – damit wir nicht anmaßend glauben, uns selbst retten zu können.
Barmherzigkeit – damit wir nicht an der Möglichkeit des Heils verzweifeln, solange wir bereit sind, neu anzufangen.
Gott ist die Liebe.
Schon der Name Jesu ruft die Liebe in unser Herz. Diese grenzenlose Liebe trieb die Zweite Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit an, Mensch zu werden. Es ist die Liebe, die sich in der völligen Erniedrigung eines Gottes zeigt, der als armes Kind in einer Höhle geboren wird.
Es ist die Liebe, die in dreißig Jahren verborgenem Leben in tiefster Armut gelebt wurde. Die Liebe, die in den drei mühevollen Jahren der Verkündigung sichtbar wurde – auf den Straßen und Wegen, über Berge, durch Täler und Wüsten, zu Städten und Dörfern, zu Reichen und Armen, immer bereit zu geben, und meist mit Undank belohnt.
Es ist die Liebe, die sich im Letzten Abendmahl offenbarte – als Er den Jüngern die Füße wusch und die Eucharistie einsetzte. Die Liebe im letzten Kuss an Judas, im Blick auf Petrus, in den geduldig ertragenen Beleidigungen, in der Passion bis zum letzten Blutstropfen.
Es ist die Liebe im letzten Verzeihen an den reuigen Schächer, der das Paradies „stahl“. Und schließlich die Liebe im höchsten Geschenk: Eine himmlische Mutter für eine verlorene Menschheit.
Diese Momente wurden von Theologen durchdacht, von Künstlern dargestellt, von Heiligen betrachtet und – vor allem – in der Liturgie gefeiert.
In der Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu lobt die Kirche besonders diese göttliche Liebe. Das Herz steht als Symbol der Liebe – und in der Verehrung Seines Herzens verehrt die Kirche die Liebe selbst.
Unsere Liebe Frau vom Heiligsten Herzen
Die Kirche kennt viele schöne Anrufungen an die Muttergottes. Jede betont eine besondere Beziehung zur göttlichen Liebe: entweder als Geschenk Gottes an sie, dem sie treu war, oder als Macht, die sie über das Herz ihres göttlichen Sohnes hat.
Denn was sind Gottes Gaben anderes als Zeichen Seiner Liebe? Und was ist ihre Fürsprache anderes als Ausdruck Seiner Liebe zu uns?
Darum ist es vollkommen passend, sie einerseits als Spiegel der Gerechtigkeit (Speculum Iustitiae) und andererseits als allmächtige Fürsprecherin zu rufen. Sie ist der Spiegel der Gerechtigkeit, weil Gott in ihr alle Gaben und Tugenden einer menschlichen Kreatur versammelt hat. Niemand spiegelt Ihn so vollkommen wider wie sie. Und sie ist allmächtige Fürsprecherin, weil keine Gnade ohne sie geschenkt wird – und weil es keine Gnade gibt, die sie nicht erwirken kann.
Wenn wir Maria als Unsere Liebe Frau vom Heiligsten Herzen anrufen, dann bringen wir alle ihre Titel in wunderbarer Weise zusammen: Wir erinnern an ihre göttliche Mutterschaft, wir bringen alle Saiten der Liebe zum Klingen – wie im Salve Regina oder in der Lauretanischen Litanei.
Doch es gibt einen Titel, den ich besonders hervorheben möchte: Anwältin der Sünder.
Unser Herr Jesus Christus ist unser Richter – voll Barmherzigkeit, ja, aber eben auch gerecht. Er muss richten.
Maria jedoch ist unsere Fürsprecherin. Und ein Anwalt tut nur eines: den Angeklagten verteidigen.
Haben wir also nicht in Unsere Liebe Frau vom Heiligsten Herzen, die Anwältin der Sünder, eine Fürsprecherin vor dem göttlichen Richter, deren Bitten nicht zurückgewiesen werden?
Wenn wir sie so nennen, sagen wir zugleich: Wir haben eine allmächtige Anwältin im Himmel, die den goldenen Schlüssel zu einem unendlichen Schatz göttlicher Barmherzigkeit besitzt.
Und was könnte eine bessere Lösung sein für eine sündige Menschheit – eine Menschheit, die verzweifelt, wenn die Gerechtigkeit verkündet wird, und noch tiefer sinkt, wenn man sie verschweigt?
Also ja: Die Gerechtigkeit muss verkündet werden – es ist unsere Pflicht.
Doch gleichzeitig – und nicht weniger – muss auch die Barmherzigkeit verkündet werden, die dem reuigen Sünder zur Umkehr hilft.
So wird der Sünder gerettet – wie es das Heiligste Herz Jesu sich von ganzem Herzen wünscht.