
Die Kathedrale von Chartres ist eine der bedeutendsten gotischen Kathedralen Frankreichs. Bereits im 4. Jahrhundert war in Chartres ein Bischof ansässig. Man weiß, dass die Kathedrale schon sehr früh Maria geweiht war. Die Krypta, obwohl sie ältere Teile enthält, stammt aus den 1020er Jahren. Bischof Fulbert entwarf damals ein neues Gebäude von außergewöhnlichem Ausmaß. Zwischen 1134 und 1150 entstand eine neue Fassade. Der südliche Turm ist eines der höchsten jemals errichteten Bauwerke. Das sogenannte „Königsportal“ fasst die christliche Lehre in Skulpturen zusammen. Die gotische Kathedrale wurde ab 1194 errichtet, nachdem ein Brand – mit Ausnahme der Fassade und des unteren Geschosses – die alte Kathedrale Fulberts zerstört hatte. Alle verfügbaren Mittel wurden in dieses Bauprojekt investiert, das in weniger als 25 Jahren vollendet wurde! Das Hauptgebäude, die großen Nord- und Südportale sowie nahezu alle Glasfenster stammen aus dieser Zeit. Diese Buntglasfenster zeigen biblische Szenen und Heiligenfiguren in leuchtenden Farben und sind in ihrer Erhaltung einzigartig. Beginn des 16. Jahrhunderts wird der zweite, kunstvollere Turm errichtet, der Chartres endgültig seine charakteristische Silhouette verleiht.
Ein weiteres markantes Merkmal, im Inneren der Kathedrale, ist das Labyrinth im Boden des Mittelschiffs, das von Pilgern als symbolischer Weg der Buße begangen wurde. Der Chorumgang erzählt, ebenfalls in schönen Skulpturen, die Geschichte von Jesus und Maria.
Aber dieser beeindruckende Ort beherbergt noch einen anderen, ganz besonderen Schatz, von dem eigentlich nicht so viele wissen, dass er sich dort befindet. Es ist eine der wichtigsten christlichen Reliquien, nämlich der Schleier der Muttergottes, auch als „Sancta Camisia“ bekannt. Er wird schon seit Jahrhunderten verehrt und zieht Pilger aus aller Welt an. Es wird gesagt dass der Schleier Teil des Gewandes ist, das die Jungfrau Maria bei der Geburt Jesu trug. Kaiser Karl der Kahle, von 843 bis 877 westfränkischer König und von 875 bis 877 König von Italien und Römischer Kaiser, schenkte ihn der Kathedrale von Chartres im Jahr 876. Davor war diese wertvolle Reliquie in Konstantinopel bewahrt worden.
Seitdem ist diese Kathedrale im Bewusstsein der Einwohner wie auch der ersten Pilger zu „ihrem (Marias) Wohnsitz auf Erden“ geworden, verbunden mit der Menschwerdung Gottes. Der Schleier der Muttergottes ist ein zentrales Objekt der Verehrung.
Während des verheerenden Brandes von 1194 wurde die Reliquie auf wundersame Weise gerettet. Dies wurde als göttliches Zeichen verstanden, was den Wiederaufbau der Kathedrale mit noch größerem Engagement vorantrieb.
Im Mittelalter war Chartres eines der wichtigsten Wallfahrtsziele Europas. Der Schleier war Symbol für den Schutz der Muttergottes und wurde unter anderem von werdenden Müttern verehrt. Noch heute ist er ein Anziehungspunkt für die Gläubigen. Große Heilige kamen hierher, unter den vielen unbekannten Pilgern: der heilige Vinzenz von Paul, der heilige Franz von Sales, die Eltern der heiligen Thérèse von Lisieux, der heilige Johannes Paul II.…
Ein besonderes Ereignis ist die jährliche Pfingstwallfahrt nach Chartres, an der Tausende junge Katholiken aus aller Welt teilnehmen. Die dreitägige Pilgerschaft beginnt traditionell in Paris und führt über etwa 100 Kilometer zu Fuß nach Chartres. Diese Wallfahrt, organisiert von der Vereinigung „Notre-Dame de Chrétienté“, ist geprägt von Gebet, Gesängen und einer tiefen geistlichen Gemeinschaft. Die Teilnehmer sehen den Marsch als eine Zeit für innere Einkehr, zur Stärkung ihres Glaubens und zur Verehrung der Muttergottes.
Die Ankunft in Chartres ist ein bewegender Moment, wenn die Pilger in die beeindruckende Kathedrale einziehen, um eine feierliche heilige Messe zu feiern und vor dem Schleier der Muttergottes zu beten.
Der Schleier wird heute in einem kunstvoll verzierten Reliquienschrein in der Kapelle der Heiligen Reliquien aufbewahrt, die sich in der Nähe des Chores der Kathedrale befindet. Dieser wertvolle Schrein schützt die Reliquie und ermöglicht es den Gläubigen, sie aus nächster Nähe zu verehren. Zu besonderen Anlässen wird der Schleier öffentlich gezeigt, insbesondere während der traditionellen Wallfahrten und liturgischen Feiern.
Die Kathedrale von Chartres bleibt somit nicht nur ein architektonisches Meisterwerk, sondern auch ein geistliches Zentrum, in dem diese wunderschöne Reliquie der Muttergottes uns Gläubigen weiterhin von ihrem mütterlichen Beistand zeugt.