Die Welt macht die Frömmigkeit schlecht, so gut sie kann, sie beschreibt fromme Menschen als einen unangenehmen, traurigen und kummervollen Anblick und verkündet lauthals, Frömmigkeit bedeutet eine melancholische Gemütsart. Der Heilige Geist versichert uns jedoch durch den Mund aller Heiligen und Jesus sagt es selbst, dass ein Leben in Frömmigkeit ein freudiges, glückliches und liebenswertes Leben ist.
Die Welt sieht, dass die Frommen fasten, beten, Unrecht leiden, den Kranken dienen, den Armen schenken, wachen, ihren Zorn bändigen, ihre Leidenschaften unterdrücken und ersticken, sich von Vergnügungen fernhalten, dass sie solche und andere Taten verrichten, die in sich selbst und ihrer eigenen Natur und Art nach hart und streng sind – die Welt sieht aber nicht die innere Frömmigkeit des Herzens, die all diese Werke angenehm, freudig und leicht macht …
Zucker süßt unreife Früchte und mildert das Herbe und Schädliche der ausgereiften. Gottesnähe ist geistlicher Zucker, der den Überwindungen das Bittere nimmt und den Tröstungen, was uns schaden könnte. Sie nimmt den Armen ihr Leid, den Reichen ihre Geschäftigkeit, den Bevorzugten die Überheblichkeit, den Einsamen die Traurigkeit und denen, die in Gesellschaft sind, ihre Beeinflussbarkeit. Im Winter ist die Gottesnähe Feuer und im Sommer Tau, sie weiß in Überfluss zu leben und Armut zu ertragen, sie zieht in gleicher Weise Nutzen aus Ehrungen und Verachtung, nimmt Freude und Schmerz mit nahezu gleichgestimmten Herzen an und erfüllt uns mit einer bewundernswerten Milde.
Quelle: Texte zum Nachdenken – Franz von Sales – Feuer und Tau – Führung der Seele – Ausgewählt, übersetzt und eingeleitet von Ingeborg Klimmer – Herderbücherei, Freiburg im Breisgau