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Das „neue“ Dogma und die Zeit

Gott verfolgt seine Absichten, wenn er die Wahrheit von der leiblichen Aufnahme Mariens in die Himmelsherrlichkeit gerade heute durch den Mund seiner Kirche feierlich verkünden lässt.

Es gab vor der Dogmatisierung Überbedenkliche, die an der Opportunität der Definition zweifelten. Die vom Heiligen Geist geleitete Kirche schritt über die Bedenken hinweg und tat recht damit. Worin liegt nun die große Bedeutung, die die feierliche Verkündigung des Himmelfahrtsdogmas Mariens für unsere Zeit hat?

Erstens gibt die Dogmatisierung der in der Neuzeit immer mehr anwachsenden marianischen Bewegung innerhalb der Kirche, in der wir zweifellos das sichtliche Wirken des Heiligen Geistes erkennen müssen, neuen Auftrieb.

Die Kirche hat ihr eigenes inneres Leben, bei dessen Entfaltung sie sich nicht vom Urteil der Außenstehenden, die ihr wahres Wesen niemals erfassen können, abhängig machen darf. Ferner drängt theologische Forschung mit der inneren Logik, mit der die Wahrheiten der Offenbarung untereinander verkettet sind, zu notwendigen Schlussfolgerungen. Was erst dunkel und noch schwankend als überkommenes Glaubensgut festgehalten wird, reift allmählich zur klaren und sicheren Erkenntnis aus, deren letzter Abschluss eben die feierliche Definition ist. So ruft auch das Dogma der Immaculata, das die Wahrheit vom lichten und gnadenvollen Anfang dieser einzig Begnadeten der Schöpfung verkündet, geradezu das Dogma von ihrem lichten und gnadenvollen Ende. Weiter bringt die fortschreitende theologische Erkenntnis des Geheimnisses der Kirche, wie wir sie heute erleben, notwendig auch eine tiefere Erfassung der Stellung Mariens im Heilsplan Gottes mit sich. Ist sie doch das Urbild der Kirche. Man kann nicht auf die Kirche blicken, ohne zugleich auf Maria zu schauen und umgekehrt.

Zweitens zeigt die Lehre von der Aufnahme Mariens in den Himmel dem modernen Menschen, der bald auf diesem bald auf jenem Wege die Vergottung seiner selbst und Letztsetzung des rein Menschlichen versucht, worin die wahre Glorie des Menschen besteht. Nicht in dem Ziel, das er selbst in seinem Streben nach Unabhängigkeit von Gott seinem Dasein geben möchte, sondern in der Verwirklichung des Menschenbildes, das Gott von ihm entworfen hat. Maria in der himmlischen Verklärung ist der wirklich „vergöttlichte“ Mensch. Aber sie ist das nicht aus der Kraft geworden, die im Menschen ist, sondern durch Gottes Gnade. Was der neuzeitliche Mensch mit allen seinen furchtbaren Anstrengungen erstrebt, sich zum Übermenschen und Gott zu erheben, ist ein vergebliches Beginnen und endet notwendig im Untermenschen und in der Katastrophe. Die wahre Herrlichkeit kann ihm nur von oben geschenkt werden. Dann freilich ist es eine Herrlichkeit, die den kühnsten Menschentraum übertrifft.

Drittens verkündet das Dogma von der körperlichen Aufnahme Mariens in den Himmel aufs Neue die christliche Wertung des Menschenleibes. Und welche Zeit hatte das notwendiger als die unsere, die einem wahren Körperkult und schrankenlosem Sinnengenuss huldigt? Sport und Körperkultur, die gewiss auch wir Christen bis zu einem gewissen Grad bejahen, können dem menschlichen Leib höchstens eine vorübergehende Kraft und Schönheit verleihen, nicht aber seinen endgültigen Verfall im Tode verhindern. Aller maßloser Sinnengenuss aber entwürdigt den Menschen und liefert den Geist der Knechtschaft des Fleisches und seiner Begierden aus. Gott allein kann den dem Tod geweihten Menschenleib wieder aus dem Moder des Grabes erwecken und ihm ewige Jugend und Schönheit, Kraft und Harmonie verleihen. An der verherrlichten Königin des Alls schauen wir die wahre Herrlichkeit des Menschenleibes, wie sie Gott allen seinen Kindern schenken will, die in dieser Zeit die Begierden des Fleisches dem Gesetz des Geistes und der Gnade zu unterwerfen trachten. Hier ist der Menschenleib. der zur höchsten Würde erhoben wurde, die ihm überhaupt zuteil werden konnte: Tabernakel zu sein, in dem das ewige Wort selber Fleisch geworden; lebendige Monstranz, die das Allerheiligste trug. Dieser Leib durfte darum nicht der Verwesung anheimfallen. Aber auch der Christenleib ist ein geweihter und geheiligter Leib, ein Tempel des dreifaltigen Gottes, an dem der Mensch sich nicht frevlerisch vergreifen darf; ist er doch bestimmt, eines Tages der strahlende Ausdruck der verherrlichten Seele zu werden. Nein, nicht der Neuheide, der den Körper vergötzt, sondern der Christ, der an die Auferstehung des Fleisches glaubt, hat über den Menschenleib das Größte und Schönste zu sagen.

Viertens ist die Dogmatisierung der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel eine neue machtvolle Predigt von der Frauenwürde für die heutige Zeit. Es liegt eine schwere Tragik über der modernen Frau. Auf der einen Seite hat man sie zur vollkommenen gesellschaftlichen Gleichberechtigung mit dem Mann erhoben, auf der anderen raubt man ihr alle Würde und Größe, indem man sie zum bloßen Geschlechtswesen herab drückt und nur nach ihrem Körper verlangt.

Da ist es nun Gott selber, der in der verklärten ewigen Frau, in der er die beiden Ausfaltungen weiblichen Wesens, die Jungfrau und Mutter, in gleicher Weise gekrönt hat, einem gesunkenen Geschlecht wiederum die Schönheit und Würde christlichen Frauentums verkündet. Den Frauen und Mädchen, um sie wieder zur Achtung ihrer Frauenwürde zu rufen; den Männern, um ihnen zu sagen: Habt Ehrfurcht vor der Frau und ihrem Körper, den ich selber im jungfräulich-mütterlichen Leib Mariens, der Krone aller Frauen, so hoch geehrt habe. Wisst, dass ich, der allmächtige und heilige Gott, die Würde jeder ihrer Schwestern schütze und jeden Frevel an ihr räche.

Fünftens endlich richtet das neue Dogma von der Himmelfahrt Mariens den Blick des ganz ins Irdische vergrabenen Menschen unserer Zeit hinauf zum Ewigen und Unvergänglichen. Maria steht bereits jenseits dieser vergänglichen Welt. Sie ist schon am Ziel, nach dem wir alle wandern. Von dort aus mahnt sie den Menschen unserer Zeit, über der Sorge ums Irdische das Überirdische und Ewige nicht aus dem Auge zu verlieren. Gebraucht die Welt, als ob ihr sie nicht gebrauchtet. Denn die Gestalt dieser Welt vergeht. (Vgl. 1 Kor. 7, 13.) Vergesst bei dem notwendigen Bemühen um die immer bessere Verwirklichung der Ordnung Gottes auf Erden, die in dieser Zeit nie voll gelingen wird, nicht darauf, mit der tiefsten Sehnsucht eurer Seelen nach der endzeitlichen Wandlung aller Dinge und dem Anbruch der Herrlichkeit Gottes auszuschauen, nach dem Tag, an dem auch ihr mit Leib und Seele in die Himmelsglorie aufgenommen werdet.

Für so viele unserer Zeitgenossen ist das Menschendasein wie ein Kerker ohne Fenster geworden. Sie kennen Den nicht, der sie in dieses Dasein gestellt, und wissen auch keinen Weg, der sie aus dieser Lage befreite. Ja, man hat ihnen sogar bedeutet, dass diese Hoffnungslosigkeit wesentlich zu ihrem Sein zum Tode gehöre (Heidegger). Da ist nun die Wahrheit von der Himmelfahrt Mariens wie ein ferner Glockenton, der in die Ausweglosigkeit modernen Lebens und Denkens klingt, wie das Aufreißen eines Tores ins Freie. Glaube wieder, du von den Weisen dieser Erde irregeführter Mensch von heute, dass dein Sein nicht ein Sein zum Tode, sondern zum Leben und zur Herrlichkeit ist. Wirf diese makabre Weisheit einer dekadenten Philosophie von dir, und vertraue dich wieder dem Licht von oben an, das auch dich zur Teilhabe am Leben und Glück deines Gottes führen will.

Nun habe ich mein Lied zu Ende gesungen, Königin der Glorie. Zu deinen Füßen lege ich den Kranz der goldenen Rosen nieder, den ich zu deiner Ehre gewunden.

Hat mein Lobpreis Gnade gefunden vor deinen Augen, dann würdige dich, mich zu denen zu zählen, deren Namen unaustilgbar in dein mütterliches Herz geschrieben sind. Dir weihe ich meinen Leib und meine Seele, dir weihe ich mein Leben und Schaffen, mein Leiden und mein Sterben. Denn ich weiß, wer dir gehört, kann nicht verloren gehen, und „selig der Mensch, der auf dich hört und an deinen Türen wacht alle Tage. Denn wer dich findet, findet das Leben und schöpft das Heil vom Herrn“ (Spr. 8, 35). Amen.

 

Quelle.“Königin der Glorie – Betrachtunge zu glorreichen Rosenkranz“, P. Dominik Thalhammer S.J. Nachdruck: Internat. Förderkreis für Kirche und Welt (I.F.K.), Laufenburg.
© 1948 by Paulusverlag Freiburg Schweiz.

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