von Dr. Nina Heeremann
„Unrecht Gut gedeiht nicht, Gerechtigkeit aber rettet vor den Tod“ (Spr. 10,2). Das Wort „Gerechtigkeit“ wurde im ersten Jahrhundert n. Chr. Als Synonym für die jüdische Praxis des Almosen Gebens gebraucht. Sorge für die Armen war das Charakteristikum des „Gerechten“ schlechthin (vgl. Spr 14,31; 21,26; 28,27; 29,7). Das Zitierte Sprichwort wurden daher sinngemäß so verstanden: Der Mammon führt ins Verderben, Almosen Geben aber rettet vor dem Tod. Noch deutlicher wird dies ausgedrückt in Tobit 4,10 „Almosen retten aus dem Tod und lassen nicht in der Finsternis geraten“.
Dieses frühjüdische Verständnis von der rettenden Kraft des Almosen Gebens muss man im Hinterkopf haben, wenn man das Gleichnis vom sogenannten Ungerechten Verwalter in Lukas 16,1-13 liest. Zudem muss man es im größeren Kontext des gesamten Lukasevangeliums lesen, insbesondere den beiden weiteren Gleichnissen, die ebenfalls vom rechten Umgang mit dem Geld handeln, dem Gleichnis vom Verlorenen Sohn und dem Gleichnis vom Reichen Mann und dem Armen Lazarus. Die beiden letztgenannten Gleichnisse bilden sozusagen den Rahmen (Lukas 15,11-32 und 16,19-31), in dessen Mitte das Gleichnis vom Ungerechten Verwalter steht (16,1-13). In allen drei Gleichnissen geht es um den rechten Umgang mit dem ungerechten Mammon und die Frage, wie der Umgang mit diesem entweder die Tür zum ewigen Leben öffnet oder verschließt. Es geht um die Umkehr der Zöllner und Sünder (15,1), die tot waren und wieder leben (15,32) und nun mit Jesus essen dürfen, doch deren metaphorische Auferstehung di Pharisäer, die sehr am Geld hingen (16,14), nicht überzeugen konnte; weder von Jesus selbst, noch von dessen, in Kontinuität mit Moses und den Propheten, an sie gerichtete Mahnung, dass man nicht Gott und dem Mammon gleichzeitig dienen kann (16,13).
Der reiche Mann im Gleichnis steht für Gott, der Verwalter für dem Menschen, der, ähnl dem verlorenen Sohn, das ihm anvertraute Geld verschleudert und sich somit auf dem direkten Weg ins Verderben befindet. Als er zur Rechenschaft gezogen wird, geht er in sich (ganz wie der verlorene Sohn) und fragt: „Was soll ich tun“, (v.3; typische „Umkehrfrage“ in Lukas, vgl. 3,10.12.14; 10,25; 18,18; Apg 2,37; 22,10) „damit die Leute mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich als Verwalter abgesetzt bin?“ (v.4). Er beschließt, sich Freunde durch Schuldenerlass zu machen. Damit gibt er im Namen seines Herrn Almosen und spiegelt so das Verhalten Jesu den Sündern gegenüber, die ja dessen Schuldner sind (vgl. 7,41-42). Während nun die Geschichte vom verlorenen Sohn von der Rückkehr des Sünders ins Vaterhaus Gottes handelt, geht es hier um die Aufnahme des Verwalters in den Häusern der Almosenempfänger. Dies entspricht ganz der jüdischlukanischen Identifikation derArmen, denen nach 6,20 das Himmelreich gehört, mit den Türhütern des Reiches Gotrtes, gemäß dem Sprichwort: „Wer Erbarmen hat mit dem Elenden, leiht dem Herrn; Er wird ihm seine Wohltat vergelten“ (Spr. 19,17).
Quelle: Heilige Schrift – Informationsblatt 08/2020 – Seite 11 – Rätselhafte Schriftstellen