In Kaufbeuren, einer Stadt in Bayern, lebt im 17. Jahrhundert eine kinderreiche Familie. Der Vater, Matthias, ist einfacher Wollweber, die Mutter, Lucia, kümmert sich um den Haushalt. Die Familie ist arm, aber reich an Liebe. Im Jahr 1682, nach sieben Kindern, wird ein weiteres Mädchen geboren – man nennt sie Anna.
Anna ist klug, ernsthaft und tief gläubig. Schon als Kind betet sie oft und sucht stille Ecken auf, um mit ihrem Schutzengel zu sprechen, der ihr erscheint. Sie möchte Ordensschwester werden – doch dafür braucht man eine Mitgift, die sie nicht bezahlen kann.
Das Kloster Kaufbeuren (auch Crescentiakloster genannt) wurde erstmals im Jahr 1261 urkundlich erwähnt. Seitdem leben und wirken Franziskanerinnen im Geiste des heiligen Franziskus an diesem Ort. Im Jahre 1315 nahmen sie die Regel des Dritten Ordens des heiligen Franziskus an und unterstellten sich der Leitung des Franziskanerordens.
Eines Tages betet Anna in der Kirche des Franziskanerinnenklosters ihrer Stadt und hört eine Stimme, die ihr verheißt: „Hier wirst du wohnen.“ Also beginnt sie, mit ihrem Vater als Weberin zu arbeiten, um das nötige Geld zusammenzubringen.
Sie bleibt nicht unbemerkt. Die Menschen sind beeindruckt durch ihre Ruhe, ihre Ausstrahlung und ihre weisen Worte. Der protestantische Bürgermeister der Stadt ist so von ihr berührt, dass er ihr hilft, um ins Kloster einzutreten. Dort nimmt sie den Ordensnamen Maria Crescentia an.
Doch ihr Klosterleben beginnt hart: Die damalige Oberin sieht in ihr nur ein armes Mädchen und behandelt sie schlecht. Sie muss schwer arbeiten, wird missachtet und sogar in einem feuchten, ungesunden Zimmer untergebracht, um Platz für eine reichere Schwester zu schaffen.
Doch Maria Crescentia bleibt geduldig, demütig und freundlich. Sie betet weiter, und Gott schenkt ihr himmlische Visionen – von der Gottesmutter und dem Jesuskind. Später wird die etwas hartherzige Oberin durch eine gütigere Nachfolgerin ersetzt. Diese erkennt die Heiligkeit Crescentias, glaubt ihren Visionen und überträgt ihr die Verantwortung für die Klosterpforte.
Crescentia nimmt diese Aufgabe mit großem Verantwortungsbewusstsein an. Sie begrüßt alle, die Rat suchen, teilt Brot und Kleidung mit den Armen. Oft verzichtet sie selbst auf Nahrung oder Decken, um anderen zu helfen – so wird sie zur „Mutter der Armen“. Sie wird sehr geschätzt und wird Lehrmeisterin der jungen Schwestern. 1741 wird sie zur Oberin erwählt.
Als Oberin ist Crescentia darauf bedacht, dass die Ordensregeln eingehalten werden, wobei sie an sich selbst die strengsten Maßstäbe anlegt. Ebenso wichtig ist ihr aber das verständnisvolle Miteinander in der Gemeinschaft. Freude und Fröhlichkeit sollen im Kloster herrschen. Grundlage ihrer Frömmigkeit ist die Übereinstimmung mit dem Willen Gottes.
Crescentia besitzt auch einen beachtlichen wirtschaftlichen Sachverstand. Sie führt das Kloster so erfolgreich, dass dessen materielle Existenz für lange Zeit gesichert ist und für die sozialen Aufgaben der Schwestern noch Geld erübrigt werden kann, die karitativen Werke des Hauses wachsen deutlich.
Crescentia war eine starke und kluge Frau, die vielen Menschen als Vorbild diente und deren Ruf sich rasch ausbreitete.
Viele Menschen von nah und fern kamen, um ihren Rat einzuholen. Sie schätzten ihr kritisches Urteilsvermögen und ihre klare Sicht der Dinge ebenso wie ihre außerordentliche Fähigkeit, sich in Gesprächspartner einzufühlen. Neben den persönlichen Gesprächen, „in denen sie die Wahrheit besser sagen konnte als ein Beichtvater“, wie Kurfürst Clemens August feststellte, stand sie mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten ihrer Zeit in Briefkontakt, darunter über 70 Fürstlichkeiten. Die bayerische Kurfürstin Maria Amalia gehörte ebenso dazu wie Kurfürst Clemens August von Köln oder der Fürstabt von Kempten. Aus ganz Europa erhielt sie Briefe – und antwortete jedem.
Sie starb am 5. April 1744 – ihr Leib verströmte einen himmlischen Duft. Von da an begann ein unablässiger Strom von Pilgern, der Kaufbeuren für lange Zeit zu einem Mittelpunkt des religiösen Lebens in Schwaben und weit darüber hinaus machte.
Bis zu 70.000 Menschen kamen in manchen Jahren, um am Grab der als heilig verehrten Schwester Crescentia zu beten. Tausende von Votivgaben zeugen vom Vertrauen der Wallfahrer, die durch die Fürsprache Crescentias Hilfe erhofften oder erhalten hatten. Ihre Seligsprechung am 7. Oktober 1900 war für viele Gläubige bereits ein Anlass zur großen Freude.
Eine Gebetserhörung erfolgte für ein Mädchen, das nach einem Badeunfall (im Juni 1986) bei dem sie 35 bis 45 Minuten unter Wasser gelegen hatte, reanimiert werden konnte und wieder vollkommen gesund wurde. Ihre Familie ist sich sicher, dass die Heilung der Fürsprache der heiligen Crescentia zuzuschreiben ist. Eine Kommission von fünf medizinischen Sachverständigen stellte nach eingehender Prüfung fest, dass diese Heilung nach dem heutigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht zu erklären ist.
Ihre Heiligsprechung am 25. November 2001 war eine Bestätigung ihrer bis heute anhaltenden Verehrung in der gesamten Weltkirche.
Quellen: informazione cattolica, wikipedia