Als Pilatus den gegeißelten Jesus dem Volk zeigte, sprach er die Worte: „Ecce Homo“ – „Seht, der Mensch!“ (Joh 19,5). Diese Szene, die sich in der Passion Jesu Christi ereignet, spricht uns direkt an. Sie offenbart nicht nur das unschuldige Leiden Christi, sondern auch die Tragweite der menschlichen Sünde und die erlösende Liebe Gottes.
Der geschundene Christus – das Bild unserer Sünde
Jesus steht vor der aufgewiegelten Menge – gezeichnet von den Schlägen, gequält von der Dornenkrone, entblößt, bespuckt und verspottet. Sein Leib ist von Wunden gezeichnet, sein Antlitz entstellt. Doch dieser Anblick ist mehr als eine grausame Momentaufnahme: Er spiegelt die Realität der gefallenen Menschheit wider. Christus trägt hier nicht nur die physischen Spuren der Folter, sondern er nimmt die Last der Sünde, unserer Sünden, auf sich. In seinem zerschundenen Leib erkennen wir uns selbst – verletzt, geschwächt, gezeichnet durch die Sünde. Jede unserer Verfehlungen trifft nicht nur uns selbst, sondern auch Christus, der die Folgen unserer Sünden auf sich nimmt, er erleidet es stellvertretend für uns.
Pilatus – ein Spiegelbild menschlicher Unentschlossenheit
Pilatus ist ein tragischer Zeuge dieser Szene. Viele Gedanken bewegen ihn innerlich, als er Jesus trifft. Er weiß nicht wen oder was er vor sich hat. Er fürchtet, als Römer, der viele Götter kannte, möglicherweise einem göttlichen Wesen gegenüberzustehen. Die Vorstellung, einen Gott in Menschengestalt zu verurteilen und hinrichten zu lassen, konnte schwerwiegende Konsequenzen haben. Diese Unsicherheit mag seine Unruhe verstärkt haben, insbesondere als seine Frau ihn warnte: „Habe du nichts zu schaffen mit jenem Gerechten; denn ich habe heute im Traum seinetwegen viel gelitten“ (Mt 27,19). Er erkennt die Unschuld Jesu und sucht nach einem Weg, ihn freizulassen. Doch der Druck der Menge und die Angst vor den Konsequenzen führen dazu, dass er sich der Verantwortung entzieht. Sein Handeln erinnert an unsere eigene Unentschlossenheit gegenüber der Wahrheit. Wie oft wissen wir, was richtig wäre, und handeln dennoch aus Menschenfurcht anders, um uns selbst zu retten?
Die Liebe Christi – die Antwort auf unsere Sünde
Ecce Homo – Seht, der Mensch! In diesem geschundenen Antlitz offenbart sich die unendliche Liebe Christi. Er nimmt das auf sich, was wir verursacht haben. Er, der ohne Sünde ist, trägt die Sünde, die uns von Gott trennt, um uns zu erlösen. Sein Leiden ist nicht sinnlos, sondern Heilswerk: „Durch seine Wunden sind wir geheilt“ (Jes 53,5).
Erkennen wir uns selbst in diesem Moment wieder? Begreifen wir, dass unsere Sünden nicht ohne Folgen sind? Und erkennen wir zugleich in Christus die unermessliche Liebe Gottes, die uns zur Umkehr ruft? Möge sein Blick, voller Schmerz und doch voller Liebe, unser Herz berühren und uns zur wahren Reue und Umkehr führen.
Herr Jesus Christus, du hast für uns gelitten. Hilf uns, in deinem Antlitz unsere eigene Bedürftigkeit zu erkennen und dein Erlösungswerk dankbar anzunehmen. Amen.